„90 Jahre sind ein stolzes Alter, das sich lohnt, gefeiert zu werden“, erklärte die Vorsitzende Ulrike Frauendorf in ihrer Begrüßung. Viel sei in diesen Jahren passiert, auch musikalisch – vom Swing der großen Big Band Orchester in den 20ern bis zum heutigen Ein-Mann-DJ. In der Blasmusik versuche man den Spagat zwischen traditionellen Stücken und neuen Arrangements zu schaffen und lade deshalb ein zu einer Best-of-Zeitreise.
„ Neun junge Burschen trafen sich 1925 in der Gaststätte zur „Traube“. Sie beschlossen, einen Musikverein zu gründen und Mitglieder zu werben“, so berichtete Werner Weis aus der Vereinschronik der ersten 30 Vereinsjahre. Mit einer Aufnahmegebühr von einer Reichsmark und einem kleinen, monatlichen Obolus sei schon nach wenigen Wochen genug Geld zusammengekommen, dass sie mit einer Anzahlung ihre Instrumente kaufen und mit ihnen „glücklich und von schallenden Tönen begleitet“ den Heimmarsch hätten antreten können. Im Sommer 1926 waren bereits 77 Musiker eingeschrieben und ein Dirigent engagiert. In der Folge wurden Vereinsfeste initiiert, auf Jahresfeiern musiziert, aber auch schwierige Situationen miteinander durchgestanden, wie ein Eintrag während der Wirtschaftskrise belegt: „Mögen auch die Stürme des Alltags über uns hinweggehen, so hilft die Musik über manches hinweg. Darum liebe Musiker, seid einig untereinander!“ Der 25. Geburtstag bot mit einem Festumzug der nun offiziell titulierten „Stadtkapelle“ und der Fahnenweihe einen weiteren Meilenstein. Entsprechend der Historie präsentierte das Große Orchester Melodien aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Bei den „Weihnachtsgirlanden“ wurden die Zuschauer nicht nur musikalisch, sondern auch mit kurzen Spielszenen der Wilden Noten auf die Festsaison eingestimmt. Mit einer kleinen Abordnung passend gekleideter Musiker ging es dann vor der Bühne mit dem bekannten Stück „Rosamunde“ von 1935 weiter, gefolgt von der späteren Fassung „Skoda Lasky“ in großer Besetzung, die sich in den Kriegsjahren zu einem Millionenhit entwickelte. Auch in der Oberriexinger Festhalle kam richtig Stimmung auf, bevor es mit „Dornröschchens Brautfahrt“ wieder beschaulicher wurde.
Zeit für einen weiteren humorigen Blick ins Vereinsbuch, den Hubert Essich mit dem Publikum teilte. Er berichtete unter anderem von einer fünfstündigen Marschprobe nach Unterriexingen, bei der zehn Jungmusiker „nicht das Blasen, sondern zuerst einmal das Marschieren lernen mussten“, von der Freundschaft zur Musikkapelle Außervillgraten und zu Ennery, vom ersten Inselfest 1974 und von der Jugendkapellenpremiere 1980 unter der Leitung von Hansmartin Essich.“ Auch Vereinsinterna wie der legendäre Bremen-Ausflug, zwei gewonnene Preisspiele an einem Tag oder das Überraschungsgeburtstagsständchen ohne Jubilarin wurden auf’s Tapet gebracht. Ein weiterer musikalischer Höhepunkt folgte nach dem schwungvollen Ungarischen Tanz Nr. 5 mit dem „Glühwürmchen Idyll“ von Paul Lincke. Hierfür übergab Dirigentin Pia Sophie Stahl den Taktstock an Carmen Stecher, um als Gesangssolisten zu brillieren und die Augen im Saal zum Leuchten zu bringen. Mit dem Florentiner Marsch leiteten die Musiker zum nächsten Highlight über, den „Erinnerungen an Zirkus Renz“, bei dem Nachwuchsschlagzeuger Julian Spieß sein ganzes Können am Xylophon bewies.
Nach der Pause ging es weiter mit der Jugendkapelle, die sich mit tollen Stücken wie beispielsweise dem Zulu-Lied „Siyahmaba“, dem Klassiker „Lemon Tree“ oder dem modernen „Olympic Tune“ ebenfalls gekonnt in Szene setzte und nicht ohne Zugabe die Bühne verlassen durfte. Zuvor verabschiedete man sich jedoch noch von Isabelle Schüle, die ihr „Wilden Noten“ berufsbedingt in die Jugendkapelle übergeben musste.
Es folgten die Ehrungen mit Blasmusik-Kreisverbandsvorsitzendem Manfred Hoerner. Er gratulierte zunächst zur Erfolgsgeschichte und bedankte sich unter anderem bei Pia Sophie Stahl, die „mit hoher Fachkompetenz und sehr viel Herzblut“ den Musikern zu solch hohem Niveau verhelfe. Dann zeichnete er Denis und Sarah Dörr sowie Linda Eismann für 10 Jahre aus, während Helmut Gräßle die Ehrennadel in Gold mit Diamant für 40 Jahre aktives Musizieren überreicht bekam. Eine Vereinsnadel gab es zudem für Kyra Hohn, Bianca Schüle und Vivien Kleinert. Auch Lisa Fischer, Tobias Stärk und Ulrich Stratemeier sowie Roland Gräßle wurde für zwei, drei beziehungsweise vier Jahrzehnte als fördernde Mitglieder gedankt. Für ihre „besonders herausragenden Verdienste“ wurden außerdem Franz Kilian, Bernd Veit, Franz Kretschmer und Karl Essich von Max Fechter mit der Ehrenmedaille des Vereins ausgezeichnet.
Nachdem Holger Veit die letzten dreißig Jahre Vereinsgeschichte Revue passieren ließ, zeigte das Große Orchester mit modernen Werken wie beispielsweise dem monumentalen „Pilatus – Mountain of Dragons“ nochmals sein ganzes Können. Fulminante Klänge, rasante Tempo- und Stimmungswechsel sowie gefühlvolle Soloeinlagen begeisterten die Zuhörer aufs Neue, bevor sie mit weihnachtlichen Klängen verzaubert in die „Stille Nacht“ entlassen wurden.
Mit freundlicher Genehmigung der VKZ